22. Juni – 1. Juli
Köln, Mülheim an der Ruhr & Düsseldorf

27 April 2017

Seit 2013 begreift das Impulse Theater Festival das Theater als gesellschaftliches Labor und untersucht, wie politische Kunst heute aussehen kann. Das Thema der letzten Ausgabe unter der künstlerischen Leitung von Florian Malzacher ist Appell und Drohung zugleich: „Decide or Else“ (frei übersetzt: Entscheid oder stirb): Wie sollen wir entscheiden, was darf entschieden werden und wer entscheidet? Hat Kunst der Krise der Demokratien etwas Eigenes entgegenzusetzen?

Für Boris Nikitins „Hamlet“ ist Sein oder Nicht-Sein keine Frage der Entscheidung mehr, sondern eine Spannung, die man aushalten muss – ähnlich der künstlerischen Falle, die uns Monster Truck mit „Sorry“ stellt: In der kontroversen Arbeit, die gemeinsam mit dem nigerianischen Choreografen Segun Adefila entstand, findet der Wunsch, sich zu verhalten, kein Ventil – eine Erfahrung, die auch Milo Raus „Five Easy Pieces“, eines der meistdiskutierten Stücke der letzten Saison, erzeugt. ZuschauerInnen werden zu ZeugInnen, wie ebenfalls in Dries Verhoevens politisch-poetischer Live-Installation „Guilty Landscapes“, wenn wir das paradoxe Kunststück vollbringen müssen, uns gleichzeitig selbst zu hinterfragen und zu positionieren.

Das Politische im Privaten einschneidender Lebensentscheidungen sucht das steirische Frauenkollektiv Die Rabtaldirndln in „Du gingst fort“, und stellt damit ähnliche Fragen nach sozialen Zusammenhängen, wie die jungen Gießen-Absolventinnen von Swoosh Lieu. Während die inszenierte Installation „Who cares?!“ einen feministischen Blick auf Sorge-Zusammenhänge wirft, fokussiert „Die Erfindung der Gertraud Stock“ der ebenfalls jungen Theatergruppe vorschlag:hammer die Biografie einer gewöhnlich ungewöhnlichen Frau am Ende ihres Lebens.

Am anderen Ende der Altersskala stehen die 3- bis 10-jährigen ZuschauerInnen von „DA GEFAHR!“ des Hamburger FUNDUS THEATER, die deutlich macht, wie sehr Entscheidungsräume von früh an durch Normen bestimmt werden. Wenn das Theater der Raum ist, in dem man an einer 9-Volt-Batterie leckt, gibt es vielleicht noch Hoffnung – während anderswo Theatergebäude zur Tiefgarage umfunktioniert werden, wie die FilmemacherInnen Daniel Kötter und Constanze Fischbeck mit „state-theatre #4– 6“ zeigen. Optimistischer nutzen She She Pop und Gintersdorfer/Klaßen – altbekannte Festivalgäste – sowie die erstmals zu Impulse eingeladene Gruppe internil die Bühne als Ort der Verhandlung, wenn sie sich zum Festivalfinale der Form des Monologs widmen: Was hat der Einzelne in der Gesellschaft zu sagen?

Gerahmt werden die Einladungen aus dem deutschsprachigen Raum durch internationale Auftragsarbeiten: Im Großen Sendesaal des WDR feiert der mit Kölner und Berliner BürgerInnen im vergangenen Jahr gedrehte Film „Germany Year 2071“ des New Yorker Nature Theater of Oklahoma seine Weltpremiere. Das gleichnamige Hörspiel – eine Koproduktion mit dem WDR – bildet dabei den Auftakt einer Radiohörspielreihe, die den Äther als weitere Impulse-Bühne bespielt.
In der großen Halle des Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim untersucht derweil die britische Gruppe Stan’s Cafe mit ihrer raumgreifenden, theatralen, nur aus Reiskörnern bestehenden Installation „Of All The People Of All The World“, auf welchen Grundlagen unsere Entscheidungen basieren. Eine Auseinandersetzung, die eng mit der Silent University Ruhr als autonomer Wissensplattform für geflüchtete AkademikerInnen verbunden ist, die Impulse 2015 initiierte.
In Düsseldorf untersucht „Delicate Instruments of Engagement“ – eine performative Daueraktion der Choreographin Alexandra Pirici – rund dreißig Jahre nach Joseph Beuys’ Tod ikonische Grenzüberschreitungen von Kunst, Popkultur und Politik.

In Gesprächen, Vorträgen, Arbeitstreffen, vor allem aber bei der Impulse-Konferenz kommen KünstlerInnen, TheoretikerInnen, AktivistInnen, die großenteils dem Festival länger verbunden sind, nochmals zusammen und widmen sich der Frage nach politischen und künstlerischen Entscheidungsmöglichkeiten. Chantal Mouffe, die als Politikphilosophin die Überlegungen des Festivals stark geprägt hat, wird ebenso zu Gast sein wie Antanas Mockus, legendärer ehemaliger Bürgermeister von Bogotá sowie Impulse-Beiräte der letzten Jahre, wie der Politologe Oliver Marchart und der Philosoph Marcus Steinweg.

Vom politischen Blick der meisten Impulse-Arbeiten zieht sich das Festivalzentrum – entworfen von Richard Lowdon, Gründungsmitglied, Performer und Bühnenbildner der legendären Theatergruppe Forced Entertainment – bewusst zurück: „Sideshow“ ist eine Bar, eine Bühne, ein wunderbarer Garten. Benannt nach den englischen Volks- und Gemeindefesten, bei denen kleine Attraktionen und die richtigen Getränke feilgeboten werden, gibt es auf diesem Nebenschauplatz Performances, Konzerte, Diskussionen und was sonst noch so dazugehört.

Nach fünf Jahren, vier Ausgaben und einer grundlegenden Umstrukturierung des Festivals – das seit 2015 jährlich in drei Städten stattfindet – wechseln nach dieser Ausgabe turnusgemäß künstlerische Leitung und Team. Impulse aber bleibt – als klare Entscheidung für das freie Theater im deutschsprachigen Raum.

Der Vorverkauf ist ab sofort geöffnet.
Besuchen Sie uns vom 22. Juni bis 1. Juli beim Festival in Köln, Mülheim an der Ruhr und Düsseldorf. Das gesamte Programm finden Sie hier und alle Infos zur Kartenbestellung hier

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