Sorry

Monster Truck & The Footprints

Ein gut genährter weißer Mann sitzt auf dem blank geputzten Bühnenquadrat, verzehrt eine Tafel Ritter Sport und blickt dabei auf den reglosen Leib eines fast nackten schwarzen Kinds zu seinen Füßen. Eine Provokation – klar, schwer auszuhalten, zu plakativ, zu banal, zu brutal, zu wahr. Aber was genau schreckt uns ab? Wer macht die Regeln? Was nützt, was schadet? Wie frei können wir uns tatsächlich dazu verhalten? Und welche koloniale Geste steckt selbst noch in Schuldgefühl und Mitleid?
In „Sorry“ werden die ZuschauerInnen zu Zeugen, zu (wider)willigen KomplizInnen. Der Wunsch, sich zu verhalten, sich zu positionieren, findet kein offenkundiges Ventil. Gemeinsam mit dem nigerianischen Choreografen Segun Adefila und seiner jungen Tanzkompanie The Footprints attackiert die Berliner Theatergruppe Monster Truck die Grenzen jeder Idee einer Begegnung auf Augenhöhe im Schatten asymmetrischer Machtverhältnisse und bringt den moralischen Boden unter den ZuschauerInnen ins Wanken.
„Sorry“ ist ein leidenschaftlicher Horrorfilm, der postkolonialen Kulturaustausch als albtraumhaftes Spiel voller Grenzen zeigt – und bei dem unklar bleibt, wer in diesem Abhängigkeitsroulette Gewinner ist. Wie wechselseitig ist die Abhängigkeit? Wer ist Opfer? Wer der Vampir?
Dass Monster Truck vor riskanten Themen nicht zurückscheuen und die Rolle der Zuschauenden immer wieder grundlegend in Frage stellen, haben sie – auch im Rahmen des Impulse Festivals – längst bewiesen. Doch wenn in „Sorry“ zeitgenössischer nigerianischer Tanz auf Konzepttheater der Gießener Schule trifft, dann ist das weit mehr als eine simple Provokation. Es ist der aufrichtige Versuch, sich gleichberechtigt zu begegnen, ohne die Unmöglichkeit dieses Unterfangens zu leugnen. Und eine Einladung, diesen Widerspruch zu akzeptieren und sich ihm zugleich vehement entgegenzustellen.

Artist Talk im Anschluss an die Vorstellung am 28. Juni

AM

Dauer 90’

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