IMPULSE THEATER FESTIVAL 2017 - News tag:2017.festivalimpulse.de,2005:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/news Textpattern 2018-01-24T09:20:02Z Jens Buss jens@31nord.com https://2017.festivalimpulse.de/ Dominik Müller 2017-12-15T17:24:07Z 2017-12-15T17:37:44Z Publikation zum Abschied: "Stichworte. Impulse Theater Festival 2013-2017." tag:2017.festivalimpulse.de,2017-12-15:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/12297eecd81a48503cdf60c78b772015

Impulse 2013 – 2017: Theater als öffentlicher Raum

In den vergangenen vier Ausgaben hat sich das Impulse Theater Festival besonders für Theater als öffentlichen und sozialen Raum interessiert, in dem das Verhältnis von Kunst und Politik immer wieder neu verhandelt wird. Mit rund vierzig Gastspielen und diversen ortsspezifischen Adaptionen sowie Auftragsarbeiten für die jeweiligen Impulse-Städte, mit Konzerten, Konferenzen und performativen Diskursformaten lag der Schwerpunkt des Festivals auf kulturellen Einflüssen aus aller Welt („Under the Influence“, 2013), auf der Frage nach Repräsentation sowohl im Theater als auch in der Politik („Gesellschaftsspiele“, 2015), auf pragmatischen Utopien und Aufbrüchen („Start cooking… Receipe will follow“, 2016) und auf den Möglichkeiten künstlerischen und gesellschaftlichen Entscheidens („Decide or Else“, 2017).

„Stichworte“: Eine Publikation zum Abschied

Reflexion, Gespräche und Theorie waren dabei immer Teil der künstlerischen Praxis. Auch die Bühne des Programmhefts haben wir dafür von Anfang an genutzt: Für jede Ausgabe haben am Festival beteiligte KünstlerInnen und TheoretikerInnen „Stichworte“ beigesteuert – so ist über die Jahre ein Glossar subjektiver Definitionen, Assoziationen und Positionen entstanden, mit dem sich das Spielfeld des Festivals markieren lässt. Zum Abschied haben wir diese Stichworte zu einem kleinen Buch zusammengefasst, einige neue in Auftrag gegeben und um Fotos unseres Festivalfotografen Robin Junicke ergänzt.
Mit diesem Band wollen wir einerseits noch einmal Revue passieren lassen, was das Festival in den letzten fünf Jahren ausgemacht hat – zum anderen aber auch ein paar Impulse für das geben, was freies Theater inner- und außerhalb des deutschsprachigen Raums umtreibt. Vor allem aber ist dieses Buch ein Dankeschön an alle KünstlerInnen, PartnerInnen, ehemaligen Teammitglieder – und natürlich an die vielen Besucherinnen und Besucher, die uns bei unserer Suche und unseren Antwortversuchen begleitet haben.

„Stichworte. Impulse Theater Festival 2013 – 2017“ ist im Alexander Verlag Berlin erschienen und kann für 10 Euro über den Buchhandel bestellt werden oder direkt auf der Homepage des Verlags

Nach vier Ausgaben unter der künstlerischen Leitung von Florian Malzacher verabschiedet sich mit diesem Newsletter das bisherige Team des Impulse Theater Festivals und freut sich auf kommende Ausgaben des neuen Teams um Haiko Pfost.

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Dominik Müller 2017-07-09T09:06:50Z 2017-07-12T17:03:17Z Sommerpause - Impulse Theater Festival 2017 zum Nachhören, Nachsehen, Nachlesen tag:2017.festivalimpulse.de,2017-07-09:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/530b705be91d542765e4d20f11243bb2

Decide or Else – Impulse-Konferen 2017 als Audioarchiv bei Voice Republic

In der diesjährigen Konferenz diskutierten ExpertInnen aus Kunst, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik über das Thema der Festivalausgabe 2017. Die zentralen Präsentationen der Konferenz gibt es jetzt – wie die Konferenz des Vorjahres auch – zum Nachhören auf voicerepublic


In ihrem Keynote-Vortrag zur Konferenz beschwört Chantal Mouffe die politische Leidenschaft in Krisenzeiten der repräsentativen Demokratie


Das folgende Panel “How do we decide” versammelte anarchische, globale, soziologische und politologische Perspektiven von John Jordan, Oliver Marchart, Jan Sowa und Judha Su


Grundlagenforschung bietet der australische marxistische Historiker Andy Blunden, wenn er die “Origins of Collective Decisionmaking” erklärt.


In seinem Gespräch mit Joanna Warzsa spürt der legendäre ehemalige Bürgermeister von Bogota Antanas Mockus einer “Cultura Ciudadana – A Citizen’s Culture” nach.


Und Was ist Kunst?

Die gemeinsame internationale BesucherInnen-Gruppe von Goethe-Institut, NRW KULTURsekretariat und Impulse diskutierte in einem Panel über die Kriterien für Entscheidungen in der Kunst in einer globalisierten Welt, ebenfalls nachzuhören bei voicerepulic.


“Deutschland 2071 – ein Hörspiel”

Wie der Film “Germany Year 2071” feierte auch das erste Hörspiel des New Yorker Nature Theater of Oklahoma im Rahmen des Festivals in Kooperation mit WDR 3 seine Premiere. Nachzuhören im WDR Hörspielspeicher


End oder Weder

Die gemeinsame Hörspielreihe von Impulse und dem WDR kann ebenfalls im Hörspielspeicher nachgehört werden. Folgen Sie diesem Link


WDR Forum – Neue Orte für ein neues Theater

Ebenfalls im WDR-Radio gesendet wurde die gemeinsam vom Haus der Architektur Köln, dem Kulturamt der Stadt Köln und dem Impulse Theater Festival veranstaltete Diskussion darüber welche Orte für neue Kunst, für gegenwärtige Formen des Theaters gebraucht werden. Die von Peter Grabowski moderierte Diskussion mit Janina Benduski (Bundesverband Freie Darstellende Künste), Philine Velhagen (dramaköln e.V.), Janin Walter (Urban Catalyst Studio) und anderen, gibt es zum Nachhören in der WDR-Mediathek


Impulse Editionen

Wer seinen Sommer lieber lesend verbringt, dem seien die Bücher des Impulse Theater Festivals ans Herz gelegt.
Das Buch anlässlich der kollektiven Performance von Yael Bartana “Two Minutes of Standstill” ist ebenso wie die Publikation zur “Silent University” noch bei Sternberg Press erhältlich.
Ausführliche Informationen zu beiden Publikationen gibt es hier

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Dominik Müller 2017-07-03T14:43:38Z 2017-07-03T14:58:28Z Impulse 2017 ist zuende! - Zehn erfolgreiche Tage freies Theater aus dem deutschsprachigen Raum in Köln tag:2017.festivalimpulse.de,2017-07-03:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/a7967e8d13e950058425ab2e07397114

Mit einer langen Party nach einem Mitternachtskonzert von PeterLicht endete am frühen Sonntagmorgen, 2. Juli 2017 das diesjährige Impulse Theater Festival. Über zehn Tage hinweg folgten mehr als 7.700 ZuschauerInnen den fast 100 Aufführungen, Performances, Konzerten und Partys, aber auch Gesprächen, Arbeitstreffen und der abschließenden Konferenz. Die Auslastung lag wieder bei über 90% – das 2015 eingeführte Konzept eines Festivals in den Städten Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr mit jährlich wechselnden Schwerpunkten ist aufgegangen.

Auch in der vierten und letzten Festivalausgabe unter der künstlerischen Leitung von Florian Malzacher untersuchte das Festival, wie politische Kunst heute aussehen und handeln kann, in welchem Verhältnis Theater zur Gesellschaft steht und inwieweit nicht nur künstlerische Ergebnisse, sondern auch Arbeitsweisen und Organisationsformen selbst politische Experimente sein können. Unter dem Leitmotiv „Decide or Else“ stand dabei das Thema Entscheidungen in Gesellschaft, Politik und Kunst im Mittelpunkt. 


Festivalzentrum und eine Hauptspielstätte war in diesem Jahr mit Dries Verhoevens „Guilty Landscapes“, „Du gingst fort“ von den Rabtaldirndln, „Who cares?!“ von Swoosh Lieu und drei Monologen von She She Pop, internil und Gintersdorfer/Klaßen die studiobühneköln. Zusätzlich zeigte das Schauspiel Köln im Depot Boris Nikitins „Hamlet“, „Sorry“ von Monster Truck sowie „Five Easy Pieces“ von Milo Rau und CAMPO.
Zudem liefen in der TanzFaktur „Die Erfindung der Gertraud Stock“ des Kollektivs vorschlag:hammer sowie im Kölner Künstler Theater die Kindertheaterproduktion „DA GEFAHR!“ des FUNDUS THEATER.

Richard Lowdon – Gründungsmitglied, Performer und Bühnenbildner der legendären Truppe Forced Entertainment aus Sheffield – verwandelte mit seiner ersten eigenständigen Arbeit „Sideshow“ die Probebühne der studiobühnköln in ein geradezu magisches Zentrum, mit der richtigen Atmosphäre passte es perfekt zum reichhaltigen Festivalprogramm. „Sideshow“ das war ein aus der Zeit gefallener Pub: eine theatrale Installation des Miteinanders, in der Gäste und KünstlerInnen über den gesamten Festivalzeitraum allabendlich zusammenfanden zum Reden, Schweigen, Tanzen, Trinken – für anregende Performances, Konzerte und Diskussionen.


Gerahmt wurden die Einladungen aus dem deutschsprachigen Raum darüber hinaus durch drei weitere internationale Auftragsarbeiten: Den gut besuchten Großen Sendesaal des WDR versetzte die Weltpremiere des Films „Germany Year 2071“ in Spannung und die retrofuturistische Zukunft, die das New Yorker Nature Theater of Oklahoma gemeinsam mit Kölner und Berliner BürgerInnen bei den Drehs 2016 während Impulse und dem Foreign Affairs Festival imaginiert und inszeniert hat.
Einen poetischen und gleichzeitig statistisch klaren Blick auf die Gegenwart gewährte die britische Theatergruppe Stan‘s Cafe auf der großen Bühne des Ringlokschuppen Ruhr. Nur mit Hilfe von Reiskörnern ließen sie eine höchst veränderliche Landschaft enstehen, die über politische und gesellschaftliche Verhältnisse sowie persönliche Schicksale Auskunft gab. Die raumgreifende, theatrale Installation „Of All The People In All The World“ fand entsprechend allein im Rahmen der Extraschicht mehr als 1.500 begeisterte BesucherInnen. Das Projekt war inhaltlich eng verbunden mit der bereits vor zwei Jahren initiierten autonomen Wissensplattform Silent University Ruhr, die auch in diesem Jahr mit Vorträgen und regen Diskussionen fortgesetzt wurde.
In den Räumen von Kunsthalle und Kunstverein Düsseldorf untersuchte die rumänische Choreographin Alexandra Pirici mit ihrer fortlaufenden performativen Aktion „Delicate Instruments of Engagement“ rund dreißig Jahre nach Joseph Beuys’ Tod ikonische Grenzüberschreitungen von Kunst, Popkultur und Politik. Pirici überführte in der eigens für Impulse entwickelten Arbeit ikonische und weniger bekannte Bilder und Ereignisse in eine Mischung aus popkulturellen und politischen Gesten. Wo die Performancekunst üblicherweise Körper als Kunstwerke deklariert, wurden bei ihr Kunstwerke zu Körpern und Bilder zur Wirklichkeit.

Wir danken allen, die am Erfolg der letzten Jahre Anteil hatten, besonders natürlich den beteiligten Künstlern und unserem Publikum – und freuen uns auf die kommenden Ausgaben unter der künstlerischen Leitung von Haiko Pfost, der die Impulse für drei Ausgaben von 2018 – 2020 übernimmt. Seine erste Festivalausgabe findet im Juni 2018 am Hauptspielort Mülheim an der Ruhr sowie in Düsseldorf und Köln statt.

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awolff 2017-06-29T10:50:03Z 2017-07-12T17:04:32Z Impulse 2017: Video-Impressionen vom Festivals tag:2017.festivalimpulse.de,2017-06-29:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/4dfd368687d0fc8a54ea688bb52efd71

Impulse: Impressionen

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Florian Malzacher 2017-06-22T19:37:20Z 2017-12-22T15:48:47Z Eröffnung 2017: Florian Malzacher über Politik, Theater & Selbstzensur tag:2017.festivalimpulse.de,2017-12-22:630cc627dbf320ab938d10342e59f70a/fba9f54db5f9995853b14ee3755c14ec

Sehr geehrte Damen und Herren –
liebe Freunde –

über vier Ausgaben und fünf Jahre hinweg hat das Impulse Theater Festival die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Politik gestellt und danach, was politisches Theater heute sein kann. Die künstlerischen Antworten darauf waren und sind vielfältig, oft auch widersprüchlich, Suchbewegungen eher als Manifeste – und doch zugleich künstlerisch klare Positionierungen.
In dieser Zeit hat sich die Welt weiter verändert, man kann sagen, von den politischen Konflikten und Problemen, die vor fünf Jahren sichtbar waren, sind nicht gerade viele verschwunden. Und die Kunst ist zunehmend wieder zu einem Ort geworden, der sich als öffentlicher Raum begreift, ihn definiert und zugleich zur Verfügung stellt. Für uns war dabei die Idee des „agonistischen Pluralismus“ der Politikphilosophin Chantal Mouffe, die in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal unser Gast sein wird, sehr produktiv.
Während viele Philosophen – von Karl Marx bis Jürgen Habermas – an die Möglichkeit eines allgemeinen gesellschaftlichen Konsens glauben, warnt Mouffe davor, durch vermeintlichen Konsens unterschiedliche Meinungen nur zu unterdrücken, was am Ende zu feindlichem Antagonismus führe: Wenn wir wollen, „dass die Menschen frei sind, müssen wir immer die Möglichkeit erlauben, dass Konflikt auftaucht und eine Arena zur Verfügung stellen, wo Differenzen konfrontiert werden können.“
Für mich liegt hier das besondere Potential von Theater: In einer Zeit, wo einerseits das Diktum „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“ eine erstaunliche Renaissance hat, andererseits eine Logik des Konsens alle demokratische Diskussion einschläfert, Arenen zu sein, in denen wir unsere Differenzen als Gegenspieler ausagieren können ohne sie befrieden zu müssen. Es ist ja kein Zufall, dass Agonismus – also das demokratische ausagieren gegnerischer Positionen ohne in absolute Feindschaft zu verfallen – seinen Namen vom Theater entliehen hat, von agon, dem Wettstreit der Argumente in der griechischen Tragödie.

In diesen letzten fünf Jahren ist aber auch die Diskussion darum, was Kunst sein darf und soll, lauter geworden. Das Sich-Einmischen, Teil der Gesellschaft sein wollen, wird mit teils verdächtiger Vehemenz bekämpft, auch in der Kunst selbst. Es gibt plötzlich und eher überraschen wieder einen Ruf nach Autonomie der Kunst, nach einer Kunst, die ihren Wert ausschließlich in sich selbst findet. Kunst, die sich hingegen unmittelbar politischen und sozialen Fragen widmet, wird vorgeworfen, sich instrumentalisieren zu lassen und sich vor allem Förderlogiken zu unterwerfen. Also: Keine richtige Kunst zu sein.
Diese Vorwürfe werden manchmal so laut, dass man den Verdacht bekommt, sie dienten eher dem Übertönen der eigenen Unsicherheit, ob ein ästhetisches Weiter-so in einer Welt, die sich rasant und offenkundig nicht nur zum Positiven verändert, nicht vielleicht doch der falsche Weg sei.
So sehr ich natürlich der Meinung bin, dass Kunst unabhängig sein muss, so sehr glaube ich, dass Unabhängigkeit nicht bedeuten kann, sein Umfeld zu ignorieren und sich als diffuses Außen zu imaginieren. Und ich bin überzeugt, dass die Künstler, die in den nächsten zehn Tagen zu sehen sind, nicht gerade den Eindruck erwecken, sonderlich fremdgesteuert zu sein.
Und was Förderstrukturen angeht: Auch wenn ich Einmischung in künstlerische Prozesse durch die Politik grundlegend ablehne: Mir ist eine Politik, die politische Haltungen in der Kunst fördert, deutlich lieber als eine, die will, dass die Kunst dazu die Klappe hält.

Problematischer ist das Problem möglicher Selbstzensur, das auftaucht, wenn man nur realpolitischen Erwägungen folgt – und das ist komplexer als das der Fremdzensur. Zwischen Selbstbeschränkung und Selbstzensur ist oft nur ein schmaler Grat. Welche Positionen halten wir aus, welche müssen wir aushalten – und wo müssen wir klare Grenzen ziehen und deutlich sagen: Das wollen wir so nicht mehr sehen. Diese Fragen werden zur Zeit drängend und vehement diskutiert – und Antworten sind nicht einfach. Was darf man zeigen, um es kritisieren zu können? Und was sollte man nicht (mehr) zeigen, um alte Ungerechtigkeiten, bestehende Hierarchien zu vermeiden?

Wie man sich als Künstler positioniert, das ist eine Frage der Entscheidung. Und oft eben einer mutigen Entscheidung. Und genau das interessiert uns bei der diesjährigen Festivalausgabe unter dem Titel „Decide or Else!“: Wie wir entscheiden, was wir entscheiden dürfen und wollen – und wer Teil dieses „wir“ ist und wer nicht.
Solche Entscheidungen werden nicht nur in der Politik gefällt oder im Privaten, sondern auch im Theater. Immer wieder mal wird behauptet, dass eine demokratische Kunst nicht möglich oder zumindest meist schlecht sei. Gerade dieses Festival hat immer wieder gezeigt, dass das ganz so wohl nicht stimmen kann: Selbstverständlich gibt es starke künstlerische Positionen, die versuchen, mit Hierarchien anders umzugehen.

Auch in diesem Jahr sind wieder zahlreiche Kollektive dabei, die bewusst auf eine dominante Regisseursposition verzichten: die jungen Gruppen Swoosh Lieu und Vorschlaghammer, die österreichischen Rabtaldirndln und die vertrauten Impulse-Gäste She She Pop. Es gibt kollaborative Ansätze wie die von Gintersdorfer/Klaßen, Monster Truck oder internil, aber auch im Umgang mit dem Publikum beim Hamburger Fundus-Kindertheater beispielsweise. Und es gibt auch den bewussten Umgang mit der eigenen Rolle als Regisseur, wie bei Milo Rau, oder auch bei Boris Nikitin, dessen Hamlet wir gleich im Anschluss sehen. Dass auch im eigenen Arbeiten darum gerungen wird, in welcher Welt wir leben wollen, schließt gute Kunst jedenfalls definitiv nicht aus. Und für politische Kunst ist es unabdingbar.

Ich freue mich, nun mit Ihnen allen gemeinsam das Festival mit der Vorstellung von Boris Nikitins Hamlet zu eröffnen. Dieser Hamlet macht es uns nicht einfach. Er ist nicht sympathieheischend. Er klagt an: uns, sich selbst, ist dabei oft ungerecht, selbstgerecht – und hat doch meist eben wirklich recht. Dieser Hamlet ist nicht gefällig, er ist mutig, aber nervt auch, er verlangt von uns als Publikum, uns permanent zu positionieren.
Dass ausgerechnet Impulse, das Festival des freien Theaters – und damit vor allem des postdramatischen Theaters – mit einem Hamlet beginnt, also dem großen Nicht-Entscheider der Weltliteratur, passt in diesem Haus – dem Schauspiel Köln – natürlich. Es wird quasi kein Wort der Shakespearschen Vorlage gesprochen – vielleicht ist es aber gerade deshalb eine so zeitgenössische, verstörende Hamletfigur, die Julian Meding hier spielt.

Es gibt diese Anekdote, dass einer der Bachsöhne am Klavier spielte und dann irgendwann aufsprang ohne seine Melodie mit einem Schlussakkord aufzulösen. Stunden später ist der alte Bach dann aufgestanden, zum Klavier gegangen und hat den fehlenden Akkord gespielt – erst dann konnte er schlafen. Mich hat der Hamlet, den wir heute sehen werden, mit so einem Gefühl der Dissonanz, des Nichtaufgelösten, zurückgelassen – und darin ist er dem Shakespeareschen Hamlet sehr ähnlich.
Ich denke, die Künstler und die Macher dieses Festivals eint, dass sie nicht glauben, dass es diesen Schlussakkord, diese Antwort, diese Entscheidung ohne die Bach nicht schlafen konnte, noch geben kann. Diesen Akkord werden wir also auch in den folgenden Arbeiten im Festival nicht setzen.
Und doch hoffe ich sehr, dass Sie alle häufig wiederkommen werden, um gemeinsam mit uns nach ihm zu suchen. Denn das ist vielleicht die Situation, in der sich Kunst (und wir als gesellschaftliche, politische Wesen) befinden: Dass wir nicht mehr glauben können, dass es diesen Schussakkord, diese eine, allgemeingültige Antwort geben kann. Dass wir aber eben auch nicht aufhören dürfen, danach zu suchen, daran zu arbeiten.

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