Symposium

Learning Plays

Ein Symposium zu radikaler Pädagogik und grenzenlosem Wissen

Jedes Verhältnis von Hegemonie ist notwendigerweise ein pädagogisches Verhältnis.
(Antonio Gramsci)

Für Brecht konnte herkömmliches Theater stets immer nur „die Struktur der Gesellschaft (abgebildet auf der Bühne) nials nicht beeinflussbar durch die Gesellschaft (im Zuschauerraum)“ zeigen: Ein Theater, eine Politik, eine Pädagogik, die Beteiligung unmöglich zu machen. In seinen Lehrstücken imaginierte er ein Theater, eine Politik, eine Pädagogik, bei der die Grenze zwischen Bühne und Publikum, zwischen aktiv und passiv, zwischen Lehrenden und Lernenden aufgehoben ist. Keine Zuschauenden, nur Mitmachende, Mitdenkende, Mitspielende. Indem sich verschiedene Positionen angeeignet werden, werden sie verstehbar, durchdenkbar und körperlich erfahrbar.

Das Symposium „Learning Plays“ lädt zehn VertreterInnen selbstorganisierter Bildungszusammenhänge – KünstlerInnen, AktivistInnen, TheoretikerInnen – ein, sich über ihre unterschiedlichen organischen intellektuellen Praktiken (nach Gramsci jene, die jede Klasse, jede Praxis aus ihren eigenen Reihen hervorbringt) auszutauschen und die Grenzen von Wissen und Bildung zu hinterfragen. Brechts Lehrstück-Theorie dient dabei als Ausgangspunkt: In einer unübersichtlichen Zeit, die dazu verleitet pragmatisch oder schlicht relativistisch jede Positionierung zu vermeiden oder im Gegenteil in zu einfache Forderungen oder Ressentiments zu verfallen, wollen wir üben, Positionen zu beziehen – und zugleich die Konsequenzen unseres Handelns zu verstehen.

Es gilt also, sich zu positionieren. Ja zu sagen oder nein. Und sich das Ja und das Nein der anderen anzueignen, um es zu verstehen. In einem ersten Teil formuliert die eine Hälfte der Redenden ihre Position affirmativ, „jasagend“ – und die andere Hälfte versucht, sich diese Position auf die eigene Arbeit bezogen anzueignen. Wir lernen von der Möglichkeit der Bejahung als Optimismus des Willens, als Mittel gegen Verzweiflung, Resignation und Ressentiment. In einer zweiten Runde werden diese „SchülerInnen des Ja-Sagens“ dann zu LehrerInnen des Nein-Sagens: Sie weigern sich, widersetzen sich, streiten, streiken und positionieren sich und ihre Arbeit ex negativo – was wiederum von der anderen Hälfte aufgegriffen und angeeignet wird.

Während es Brecht vor allem um den Gegensatz zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv ging und die Frage, ob sich der Einzelne im Ernstfall zugunsten der Gemeinschaft opfern soll, stellen sich beim Symposium „Learning Plays“ andere Fragen:
Was ist das Verhältnis, der Widerspruch oder die Verbindung von Organisation und Selbstorganisation? Welche Veränderung der Gesellschaft, welche Selbst-Veränderung wollen wir und wie kann sie erreicht werden? Um welche Inhalte geht es, wie sieht der konkrete Bildungsprozess der jeweiligen Initiativen aus und in welchen Kontexten findet er statt?
Sagen wir ja zu existierenden Institutionen und versuchen wir, sie unseren Zielen anzupassen? Oder sagen wir nein und wagen den Exodus? Und wenn wir nein sagen, wie verhindern wir, dass unsere neuen Gründungen nicht einfach Teil des alten neoliberalen Spiels werden, es vielleicht sogar beschleunigen? Welche neuen Ökonomien finden wir? Wie funktioniert die Verbindung von radikalen Inhalten mit herrschenden Marktmechanismen?

Wie bei Brecht bleibt die Interpretation offen, Ja und Nein wechseln sich ab. Im dritten Teil des Symposiums, wenn sich das Gespräch öffnet und die Grenze zwischen den geladenen RednerInnen und dem Publikum verwischt, muss dann jeder seine eigene Position beziehen: „PartisanIn sein statt partizipieren“ heißt es, wenn es gilt, dissidente Haltungen zu formulieren und einzunehmen – denn Teilhabe genügt nicht, es ist nötig, parteiisch zu sein.
Statt in vorgegebenen Situationen zu interagieren, geht es um situiertes Wissen und Handeln. Situiert meint hier mehreres zugleich: Sich auf eine Seite stellen und dies vor dem Hintergrund eines Bewusstseins über die eigene Lage im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse und in Solidarität mit bestehenden sozialen Kämpfen zu tun. Die Position ist widerständig, insofern sie das Ziel hat, nicht daran teilzuhaben, dass die Machtverhältnisse so bleiben wie sie sind, sondern dazu beizutragen, dass eine andere Hegemonie möglich wird.

In der Konferenz „Learning Plays” wird das Interesse des Impulse Theater Festivals an einem politischem Theater als agonistischem Feld, auf dem unterschiedliche Positionen erprobt werden können, ohne im Konsens aufgelöst werden zu müssen, wieder aufgegriffen und mit kritischen und radikalen Praktiken der Pädagogik und Wissensgenerierung konfrontiert.

Eintritt frei

AM

SAMSTAG, 25. JUNI 10 – 18 Uhr Düsseldorf
Sprache engl. Festivalzentrum

Mit Markus Bader (Urban School / raumlaborberlin), Jamil Dishman (KulTür auf!, JugendtheaterBüro Berlin), Nils Erhard (KulTür auf!, JugendtheaterBüro Berlin), Valeria Graziano (Mind Your Head), Stefano Harney (School for Studies), Ahmet Öğüt (The Silent University), Alessandra Pomarico (Home Free University), Rubia Salgado (Universität der Ignorantinnen / maiz), Mårten Spångberg (PAF), Vierte Welt Kollaborationen, Dmitry Vilensky (Chto Delat)

Kuratiert von Nora Sternfeld und Florian Malzacher

Ein Projekt des Impulse Theater Festivals 2016 in Kooperation mit Urbane Künste Ruhr. Gefördert durch das Österreichische Kulturforum, Berlin.

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