LOB DES VERGESSENS
LOB DES VERGESSENS, Teil 2 findet online statt.
Wie funktioniert Verdrängung? Ein Nachfahre von Vertriebenen will verstehen, warum er über seine Familiengeschichte kaum etwas weiß. Eine persönliche Recherche, die in historischen Tondokumenten, Berichten, Liedern und Gedichten die Strategien und Techniken des Vergessens zutage bringt.
studiobühneköln, Bühne
Sprache: Deutsch
Extra:
07.06. im Anschluss an die Vorstellung Publikumsgespräch in deutscher Sprache mit dem Künstler und Aurora Rodonò, Diversity-Managerin Rautenstrauch-Joest-Museum und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD). Moderation: Haiko Pfost, Künstlerischer Leiter Impulse Theater Festival
Links auf der Bühne ein Turm aus mehr als tausend Tonbändern – das ethnografische Tonarchiv des Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa. Es soll die Geschichte der Vertriebenen in Form von Liedern und Erzählungen von Zeitzeug*innen bewahren. Rechts auf der Bühne, als lebendiges Archiv, der 1989 geborene Theatermacher Oliver Zahn, Enkel und Urenkel von Vertriebenen. Er hat zu dieser familiären Vergangenheit bislang wenig Bezug. Sein Gedächtnis ist an dieser Stelle nahezu leer, der lebendige Erfolg kollektiver Vergessensstrategien. Oliver Zahn will verstehen, wie diese Leerstelle entstanden ist. Und so befragt er das Archiv, und das Archiv antwortet. Im Raum erklingen populäre Lieder und fremde Dialekte, deren Sprecher*innen gespenstisch anwesend und gleichzeitig ganz und gar abwesend wirken, Relikte einer vergangenen Zeit. Sie berichten vom Leben im östlichen Europa, von Flucht, Vertreibung, Integration und Ausgrenzung.
Das Archiv kann allerdings nur die Fragen beantworten, die ihm gestellt werden. Was nicht gefragt wird, das wird auch nicht erinnert. Und so wird deutlich, dass Vergessen nicht einfach geschieht, sondern dass ihm eine Entscheidung vorangeht. „Im Vergessen wird zur Ruhe gelegt, was der Zukunft im Weg steht“, sagt der Performer. Ist das Warnung oder Forderung?
Credits
Von und mit: Oliver Zahn
Dramaturgie: Felizitas Stilleke
Assistenz Tonarchiv: Emre Can Bozoğlan
Licht- und Videoeinrichtung: Laura Kansy
Technik: Dennis Dieter Kopp
Künstlerische Produktionsleitung und Presse: Rat & Tat Kulturbüro
Kontakt für Gastspielanfragen: Oliver Zahn, mail[a]oliverzahn.de
Produktion
Eine Produktion von Oliver Zahn, koproduziert mit den Münchner Kammerspielen. Gefördert im Rahmen der Optionsförderung der Landeshauptstadt München.
Biografien
Laura Kansy ist freie Fotografin und Kamerafrau für Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme. Seit 2012 studiert sie an der HFF München in der Abteilung Kamera. Von 2012 bis 2016 war sie Werkstudentin im Bereich Forschung und Entwicklung bei ARRI (Arnold & Richter Cine Technik GmbH), 2016/17 studierte sie am Satyajit Ray Film and Television Institute (SRFTI) in Kolkata, Indien.
Dennis Dieter Kopp studierte Theater, Medien und Literatur an der Universität Hildesheim. Seit 2012 arbeitet er* als Beleuchter*, Performer* und Dramaturg* u. a. an den Münchner Kammerspielen sowie für Oliver Zahn//HAUPTAKTION, Thermoboy FK, christians//schwenk, Henrike Iglesias, Markus&Markus, Marie Simons und Ceren Oran und Joana Tischkau. Als Soloperformer* und Mitglied von cobragianni.cobra ist er* verantwortlich für „Let Me Be the Object of Your Desire“ (2012) und „EIN BISSCHEN MEHR MUSS MAN SCHON SEHEN oder: Wie ich mich in einen Schmetterling verwandelte“ (2017). Seine* künstlerische Praxis befasst sich vor allem mit Fragen kritischer Männlichkeitsforschung auf der Suche nach queeren, feministischen und intersektionalen Perspektiven.
Oliver Zahns choreografisch-diskursive Performance-Essays kreisen oftmals um die Pole Geschichte, Nationalismus, Körper — ethnografisch, archivbasiert und im Selbstversuch. Neben „Situation mit ausgestrecktem Arm“ über die Kulturgeschichte der „Hitlergruß“-Geste und „Situation mit Doppelgänger“ über kulturelle Aneignung im Tanz, Imitation und Minstrel Shows (mit Julian Warner) entstanden „Zweiter Versuch über das Turnen“ über deutsche Identität und Zugehörigkeit zum „Volkskörper“ anhand von Geschichte und Praxis der deutschen Turnbewegung (gemeinsam mit sieben Kollaborateur*innen) sowie zuletzt „Teutona“ und „Futur Germania“.