Diskotieren fürs Grundeinsingen

Die Bochumer Fassung von Bernadette La Hengsts “Bedingungsloses Grundeinsingen” wird begleitet von zwei Diskossionsveranstaltungen, die das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens aus kulturphilosophischer, ökonomischer und feministischer Perspektive diskotieren. Die bedingungslose Chorleiterin Bernadette La Hengst leitet dabei zum grundeinsingen an und jeweils zwei wechselnde Diskossionsgäste treten in Austausch mit dem Publikum. Moderation und Konzept: Wanja Saatkamp

29. Juni

Ringlokschuppen, Mülheim an der Ruhr

um 17:00 Uhr im „Chez Icke“
mit Ute Fischer und Christian Siefkes

Ute Fischer
ist Soziologin und Volkswirtin. Sie promovierte und habilitierte in Soziologie, arbeitet seit 2010 als Professorin für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Sie lehrt und forscht insbesondere zur Sozialpolitik. 2003 hat sie die Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ mitbegründet und engagiert sich seitdem für ein Bedingungsloses Grundeinkommen.

„Eine Gesellschaft, die nicht nur einzelnen Pionieren eine eigenwillige Gestaltung ihrer Lebens und Berufswege eröffnet, müsste genau solche Bedingungen bereitstellen: Anerkennung der Tatkraft des Einzelnen, ein Lob der Verwirklichung eigener Ideen. Wenn wir die gleiche Sicherheit besäßen, wie die gezeigten Vorreiter, könnten wir getrost darauf bauen, dass die Gemeinschaft mehr zurück bekommt als sie investiert, etwa in Form einer Existenzsicherung für gewagte Existenzen aller Art.“
[Aus: Vom Sinn im Leben (2011)]

Christian Siefkes
ist promovierter Informatiker und Autor. Er lebt und arbeitet als freiberuflicher Softwareentwickler in Berlin. Wenn er nicht erwerbsarbeitet, bastelt er gern an seinem Reprap-3D-Drucker und beschäftigt sich theoretisch und praktisch mit Peer-Produktion, Freier Software, Freier Hardware und „Commonismus“.

„Commonsbasierte Gesellschaften sind jahrhundertelang erfolgreich gewesen, bis sie dem Einhegungsprozess zum Opfer fielen, der die Durchsetzung des Kapitalismus begleitete. Ein Prozess, der sich in manchen Weltgegenden noch heute in seiner ursprünglichen Form (der Privatisierung des Landes) vollzieht und der weltweit auf immer neue Bereiche des Wissens und des Lebens übergreift. Zugleich hat der Kapitalismus aber auch die modernen Technologien hervorgebracht, die zur Grundlage einer neuen Generation von Gemeingütern geworden sind. Die Renaissance der Gemeingüter ist in vollem Gange, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Prozess demnächst zum Stillstand kommen könnte. Auch wenn eine künftige commonsbasierte Gesellschaft, für die Nick Dyer-Witheford den Begriff „Commonismus“ vorgeschlagen hat, noch einige Generationen auf sich warten lassen mag – der Weg dorthin zeichnet sich schon ab.“
[Aus: Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter (2009)]

05. Juli

Schauspielhaus Bochum

um 17:00 Uhr im „Chez Icke“
mit Adrienne Goehler und Antje Schrupp

Adrienne Goehler
ist Psychologin, Publizistin und Kuratorin. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Unter anderem kuratierte sie die Ausstellungen Art Goes Heiligendamm (2007) und Zur Nachahmung empfohlen! (2010). Sie war Präsidentin der HfbK Hamburg, Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin in der rot-grünen Übergangsregierung 2001. Mit Götz Werner veröffentlichte sie 2010 das Buch „1000 € für jeden. Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen“.

„Das Grundeinkommen ist die gesellschaftliche Basis für das individuelle Empowerment. Es ist eine (gesellschaftliche) Ermächtigung zur (individuellen) Selbstermächtigung: Indem die Gemeinschaft jedem einzelnen die Existenz sichert, gibt sie ihnen allen das Startkapital, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist also ein gedanklicher Paradigmenwechsel, dessen Tragweite weit über das Finanzielle hinausgeht.“
[Aus: 1000 € für jeden. Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen (2010)]

„Wirklich sozial wird eine veränderte und sich verändernde Gesellschaft erst, wenn die Menschen nicht bedarfsbemessen werden, sondern sie selbst die Bedingungen herstellen können, ihren je möglichen, eigenen, aktiven Beitrag darin leisten zu können. Das könnten wir dann Kulturgesellschaft nennen.“
[Aus: Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft (2006)]

Antje Schrupp
ist Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Bloggerin. Sie beschäftigt sich vor allem mit weiblicher politischer Ideengeschichte. Zusammen mit anderen feministischen Ethikerinnen hat sie 2004 einen Grundlagentext zum Grundeinkommen verfasst: „Gutes Leben im ausgehenden Patriarchat“ www.gutesleben.org Sie bloggt unter www.antjeschrupp.de

„Wer macht diese Arbeiten, wenn wir keine billigen Erzieherinnen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen mehr haben? Oder anders gesagt: Wie stellen wir sicher, dass sie auch dann noch getan werden, und zwar jederzeit und sofort, wenn wir niemanden mehr dazu zwingen können? Auf diese Frage gibt das Grundeinkommen für sich genommen keine Antwort. Ebenso wenig wie die Marktwirtschaft (die stellt nämlich nur sicher, dass die profitablen Arbeiten getan werden). Deshalb brauchen wir an dieser Stelle eine Kulturdebatte, die die Freiheit, die ein Grundeinkommen bedeuten würde, nicht nur dahingehend interpretiert, dass wir dann alle „selbstbestimmt und autonom“ tun können, wonach uns der Sinn steht. Sondern wir müssen diese Freiheit dahingehend interpretieren, dass sie auch für die Einzelnen die Verpflichtung beinhaltet, das Notwendige zu sehen und sich ganz konkret für die Bedürftigkeit anderer Menschen verantwortlich zu fühlen. Und genau um so eine Kultur steht es nicht gut.“
[Aus: Wer macht die unbeliebten Arbeiten? Zum blinden Fleck des Grundeinkommens (2010)]

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