Impulse Theater Festival

Köln, Düsseldorf, Mülheim an der Ruhr

4.–14. Juni 2020

Akademie #2 — Zeige Deine Klasse (findet teilweise online statt)

Soziale Herkunft und Freies Theater
Leitung: Daniela Dröscher
Sprache: Deutsch    

Das Online-Programm der AKADEMIE #2 finden Sie hier.

Die soziale Herkunft beeinflusst Personal, Programm und Publikum der Freien Szene — bislang wird dieser Zusammenhang aber kaum benannt und diskutiert. Die AKADEMIE will das Bewusstsein für die Relevanz der Kategorie „Klasse“ stärken, indem sie fragt: Wer spricht? Wer spielt? Wie werden Klassenunterschiede auf der Bühne verhandelt? Und wer schaut zu? „Klasse“ wird dabei stets in ihrer Verflochtenheit mit feministischen und postmigrantischen Positionen gedacht. Denn Klassenkampf und Diversität sind kein Widerspruch — im Gegenteil. Gerade die Bühnen des Freien Theaters könnten Orte sein, an denen sich Akteur*innen unterschiedlicher Hintergründe in Solidarität und Kompliz*innenschaft üben.  

Ein tägliches Konferenzprogramm lädt am Vormittag alle Festivalbesucher*innen mit Impulsvorträgen und anschließenden Diskussionen zu einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Klassenfrage ein. Am Nachmittag bieten vier viertägige Workshops intensive Arbeitsumgebungen zu klassenbewusster (Theater-)Sprache, Kuration und Theorie. Für die Workshops ist eine Anmeldung erforderlich.  

Die AKADEMIE #2 — ZEIGE DEINE KLASSE wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW (Regionale Kulturpolitik NRW) und Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung.

© Robin Junicke
© Robin Junicke
© Robin Junicke
© Robin Junicke
© Robin Junicke
© Robin Junicke

11.06. PERSONAL
Wer
macht Theater, oder: Warum wir über Klasse reden müssen

Zum Auftakt nimmt die AKADEMIE die Akteur*innen der Freien Szene in den Blick. Wie sehr beeinflusst Klassismus, also die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft, den Zugang zu den Ausbildungsstätten, Spielorten und Fördertöpfen? Diese Dimension wird im Freien Theater bisher eher selten thematisiert, ist aber gerade im Zusammenspiel mit race und gender bedeutsam.

10:00 Daniela Dröscher und Haiko Pfost, Begrüßung

10:15 Luise Meier: Prol-Mutation

Was bedeutet Klasse im 21. Jahrhundert? Was muss neu, was anders gedacht werden? Die freie Autorin, Studienabbrecherin und Servicekraft Luise Meier führt zunächst in die Grundlagen ein und entwickelt davon ausgehend ein neues Verständnis von Proletariat: die Prol-Mutation. Als „Prol-Mutant*innen“ verabschieden wir uns vom Fetisch des „reinen“ und „authentischen“ Proletariats, ohne aber das kämpferische Potenzial und die darin aufbewahrte Erfahrung aufzugeben. Darin liegt unser gesteigertes Potenzial. Statt mit schärferer Abgrenzung reagieren „Prol-Mutant*innen“ mit gesteigerter Vermengung und Solidarisierung.

11:00 Sophie Vögele: Die Rolle der Kunstausbildung. Potenziale von Diversität und die Herausforderung des Klassismus

Die Studie „Art.School.Differences“ hatte zum Ziel, Ungleichheit, Ein- und Ausschlüsse an Schweizer Kunsthochschulen zu untersuchen und – punktuell – zu verändern. Projektleiterin Sophie Vögele stellt in diesem Vortrag die Theaterausbildung in den Fokus und fragt, wie Erkenntnisse zu sozialen Klassen die kritische Migrationspädagogik bereichern können.

11:45 Kaffeepause

12:00 Nuray Demir & George Demir: „Ganz oben“: Undercover im Kunstfeld

Nuray Demir und George Demir erforschen seit Jahren soziale Brennpunkte des Kunstfelds. Sie begaben sich hierfür in die exklusive Parallelgesellschaft, beobachteten und sammelten Material. Nun öffnen sie erstmalig ihren ethnografischen Anekdotenkoffer und berichten von A wie Acne über E wie Erbserwerbshaltung bis hin zu Z wie …

12:45–13:45 Mittagessen

Biografien

George Demir ist Künstler und Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 2019 beendete er sein Diplom der Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien Köln und wurde anschließend mit dem Preis des Vereins der Freunde der KHM ausgezeichnet. Seine Praxis ist in der künstlerischen Forschung zu verorten. Er versucht darin, gesellschaftliche Schieflagen aufzudecken, um darüber marginalisierten Positionen ein empowerndes Moment zu ermöglichen und Machtpositionen zu verschieben. Seine Arbeiten waren u. a. in der 1ShanthiRoad Gallery in Bangalore, bei Paramount Urban Screen in Boston oder in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Brüssel zu sehen.

Nuray Demir ist Künstlerin und Kuratorin im Bereich der bildenden und darstellenden Künste. Ihre Praxis ist von einem forscherischen und radikal transdisziplinären Ansatz gekennzeichnet. Für ihre Projekte arbeitet sie kollaborativ mit Personen aus unterschiedlichen Bereichen, mit denen sie temporäre Ensembles bildet. Sie realisierte Projekte an verschiedenen Institutionen, darunter Kampnagel in Hamburg, Sophiensæle in Berlin, HAU Hebbel am Ufer in Berlin und Wiener Festwochen. Derzeit gehört sie zum künstlerischen Leitungsteam von District* Schule ohne Zentrum in Berlin. Seit 2018 ist sie ein Teil von „Kein schöner Archiv“.

Daniela Dröscher schreibt Prosa, Essays sowie Texte für die Bühne. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Anglistik in Trier und London und promovierte an der Universität Potsdam über die Poetologie Yoko Tawadas. Themen ihrer Arbeiten sind das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit sowie die Überlagerungen von Kultur, Klasse und Geschlecht. 2018 erschien der autobiografische Text „Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft“ bei Hoffmann & Campe. Theaterarbeiten, an denen sie mitgewirkt hat, waren u. a. am Ballhaus Ost und in den Sophiensælen Berlin zu sehen.

Luise Meier arbeitet als freie Autorin und Dramaturgin in Berlin und ist Studienabbrecherin der Philosophie, der Kulturwissenschaften, der Literaturwissenschaften und der Sozial- und Kulturanthropologie in Berlin und Frankfurt (Oder). Sie schreibt kulturkritische Essays zu den Themen Kapitalismus, Frauenbewegung, „Die Brüder Karamasow“, Drohnen, Terror, Rosa Luxemburg, Valeska Gert u. a. für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, den Freitag, jungle world, Theater der Zeit und die Berliner Zeitung. 2018 veröffentlichte sie ihr Buch „MRX Maschine“. Regelmäßige Zusammenarbeit mit dem HAU Hebbel am Ufer Berlin. Zuletzt entstanden dort die Abende „KEEP IT REAL“ und „Schleef’sche Wucherung“. Aktuell arbeitet sie mit der Choreografin und Performerin Jule Flierl, dem Performancekollektiv andcompany&Co und dem Regisseur Christian Filips zusammen.

Sophie Vögele hat Gender Studies und Ethnologie in Basel, Genf und Heidelberg studiert. Anschließend war sie mehrere Jahre an der York University Toronto affiliiert (Soziologie). Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte der Zürcher Hochschule der Künste im Bereich Art Education. In ihrer Forschung interessiert sie sich für die Vielschichtigkeit von Prozessen der Veranderung (Othering) an Bildungsinstitutionen und im Bereich der Kunst, deren Kritik und institutionalisierte Mechanismen von Inklusion und Exklusion aus feministisch-postkolonialer Perspektive. In ihrem Blog (bit.ly/a_s_d) berichtet sie von Erfahrungen im Bereich der partizipativen Curriculums- und Hochschulentwicklung.

12.06. PROGRAMM
Wie
verhandelt das freie Theater das Klassenthema?

Der zweite AKADEMIE-Tag untersucht das Programm der Freien Szene. Lassen sich, bei aller Diversität der Szene, gemeinsame Blickrichtungen auf die Klassenfrage oder auch nur das Klassenthema erkennen? Was verrät ein Blick in die Geschichte? Was sind klassenbewusste Ästhetiken der Gegenwart? Was die knirschenden Punkte in den Versuchen, Klasse intersektional zu thematisieren?

10:00 Anja Quickert: Von der APO bis zum postmigrantischen Theater

Die Kritikerin und Dramaturgin Anja Quickert hat Geschichte und Gegenwart der Freien Szene mit Blick auf das Klassenthema untersucht: Wie werden soziale Herkunft und/oder Klassen(-unterschiede) verhandelt? Welche Themen tauchen wiederholt auf? Was wird ausgelassen und warum? Und gibt es eine spezifische klassenbewusste Ästhetik?

10:45 Francis Seeck: Die feinen Unterschiede. Klassismus und Kulturarbeit

Kulturanthropolog*in, Geschlechterforscher*in und Antidiskriminierungstrainer*in Francis Seeck unterzieht die Programmhefte der Freien Szene einer genauen Lektüre: Welche Sprachen werden hier verwendet? Wer wird eingeladen, wer ausgeschlossen? Und in welchem Verhältnis stehen Queerness und Klassismus zueinander?

11:45 Diskussion an 5er-Tischen

12:30–13:30 Mittagessen

Biografien

Anja Quickert studierte Theaterwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie in Mainz, Bologna, Warschau und Berlin. Als freie Autorin schreibt sie u. a. für „Theater heute“; als Dramaturgin hat sie frei und an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gearbeitet. Seit 2011 ist sie Geschäftsführerin der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft. Sie verantwortet deren Veranstaltungsreihen „Müllermontag“ (2012–2016) und „Müllersalon“ (seit 2017), hat an diversen Werkstätten der Gesellschaft dramaturgisch und produktionstechnisch mitgearbeitet, die internationale Konferenz „Das Rätsel der Freiheit“ zu Heiner Müller mitgeleitet sowie das Theaterfestival „Heiner Müller!“ am HAU. Seit 2018 ist sie Teil der DFG-Forschergruppe „Krisengefüge in den Künsten“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Trier.

Francis Seeck ist Antidiskriminierungstrainer*in, Autor*in und Doktorand*in und lehrt ander Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin im Bereich Gender und Queer Studies in der Sozialen Arbeit. Zudem ist Francis Seeck beim Institut für Klassismusforschung aktiv, einem Netzwerk von Wissenschaftler*innen und politischen Bildner*innen aus einem Arbeiter*innen- oder Armutshintergrund. 2017 erschien „Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive“, in dem Francis Seeck den Zusammenhang zwischen Klassismus und Trauerpraktiken in den Blick nimmt.

13.06. PUBLIKUM
Für wen
machen wir das?

Nach Personal und Programm steht die Rolle des Publikums im Fokus. Wen erreichen die Produktionen der Freien Szene? Welche Arbeitsweisen und Ästhetiken adressieren aus sich heraus ein klassenübergreifendes Publikum? Welche halten es durch feine Unterschiede auf Abstand? Und wie kann Theater ein Publikum erreichen, das seine Perspektive dann auch tatsächlich auf der Bühne repräsentiert sieht?

10:00 Eva Plischke (Turbo Pascal): Unterscheidet euch!

Mit welchen performativen Mitteln bringe ich das Klassenthema auf die Bühne? Welche Rolle spielt Partizipation? Was ist die Rolle des Publikums? Ein Einblick in die Entwicklung des Kinder- und Jugendstücks UNTERSCHEIDET EUCH!, das im Impulse-SHOWCASE zu sehen ist.

10:45 Eylem Sengezer und Sandrine Micossé-Aikins (Diversity Arts Culture): Mehr als finanzielles Kapital – Klassismus im Kulturbetrieb

Wer als Besucher*in ins Theater geht, hängt ganz wesentlich von denjenigen ab, die Theater machen. Damit schließt sich der Kreis zum Personal. Diversity Arts Culture hat untersucht, warum bei allen Versuchen, Kulturinstitutionen zu diversifizieren, so viele Akteur*innen den Kulturbereich wieder verlassen. Welche Rolle spielt dabei Rassismus, welche Klassismus? Wie werden sie gegeneinander ausgespielt? Wo ähneln, wo unterscheiden und wo verschränken sie sich?

11:45–12:30 1:1-Diskussionen

12:30–13:30 Mittagessen

Biografien

Sandrine Micossé-Aikins ist Kunstwissenschaftlerin, Kuratorin und Equity-Managerin und arbeitet schwerpunktmäßig zu Rassismus und Empowerment in der Kunst, zur Wirkmacht kolonialer Bilder, zu Körperpolitik sowie zu Repräsentation und Gleichstellung im deutschsprachigen Kunst- und Kulturbetrieb. Seit 2017 leitet sie Diversity Arts Culture, eine Konzeptions- und Beratungsstelle für Diversitätsentwicklung, der es darum geht, Kunst und Kultur für alle zugänglich zu machen und Barrieren abzubauen, um spannende Kunst aus unterschiedlichen Perspektiven in den Kulturbetrieb zu bringen.

Eva Plischke ist Mitbegründerin von Turbo Pascal und promovierte im künstlerisch-wissenschaftlichen Graduiertenkolleg „Versammlung und Teilhabe – urbane Öffentlichkeiten und performative Künste“ in Hamburg. Turbo Pascal entwickeln interaktive Performances, die das Theater zum Versammlungs- und Verhandlungsraum gesellschaftlicher Prozesse, Dynamiken und Utopien machen. Zudem realisieren Turbo Pascal partizipative Projekte mit Erwachsenen oder Jugendlichen und konzipieren Gesprächs- und Kommunikationsformate für diverse Kontexte. „Unterscheidet euch!“, die erste interaktive Performance von Turbo Pascal für Kinder am Theater an der Parkaue Berlin, erhielt 2019 den Ikarus-Preis.

Eylem Sengezer ist Referentin für Öffnungsprozesse in Kulturinstitutionen bei Diversity Arts Culture. Sie hat Neuere deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Filmwissenschaften studiert. Am Haus der Kulturen der Welt hat sie zahlreiche Projekte koordiniert, darüber hinaus war sie als freie Kulturschaffende und Kuratorin für das DHM, die nGbK, das Schwule Museum in Berlin und das Centro de la Imagen in Mexiko-Stadt tätig. Sie war Jurymitglied des Bezirkskulturfonds Friedrichshain-Kreuzberg. Als Referentin bei Diversity Arts Culture berät sie Kultureinrichtungen und koordiniert gemeinsam mit Toan Nguyen die Öffnungsprozesse im Stadtmuseum Berlin und im Theater an der Parkaue.

14.06. UND JETZT: WAS TUN?

Tag vier macht die Bühne frei für die Resultate der diesjährigen AKADEMIE. Was lässt sich festhalten nach drei Tagen Arbeit am Klassenbewusstsein? Welche Prozesse wurden angeregt, welche sind zu kurz gekommen? Wie geht es weiter mit dem Klassenthema in der Freien Szene? Was sind die (kultur-)politischen und ästhetischen Konsequenzen unserer Überlegungen?

10:00 Frederick Krieger und Samira Weiner: Beobachtungen, Erkenntnisse, Fragen

Frederick Krieger und Samira Weiner vom FFT Düsseldorf haben die Geschehnisse der Akademie teilnehmend begleitet. Zum Abschluss formulieren sie ihre subjektiven Erkenntnisse und offenen Fragen und stellen diese zur Diskussion.

11:00 Abschlussforum

Die Workshop-Teilnehmer*innen und interessierte Festivalbesucher*innen finden sich in einem gemeinsamen Forum zusammen, das die Möglichkeit gibt, unter Einbezug der Erfahrungen aus den drei Akademietagen auf die zuvor geteilten Beobachtungen zu reagieren und durch eigene Überlegungen zu ergänzen.

13:00 Mittagessen

Biografien

Frederick Krieger studierte Theaterwissenschaft und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und wirkte in zahlreichen studentischen und freien Theaterproduktionen mit. Von 2015 bis 2018 war er als Regieassistent am Schauspielhaus Bochum engagiert, arbeitete dort u .a. mit Olaf Kröck, Roger Vontobel, Jan-Christoph Gockel, Marius von Mayenburg, Heike M. Götze und Anselm Weber. Am Schauspielhaus Bochum inszenierte er 2018 Sartres „Geschlossene Gesellschaft“. Seit 2019 ist Frederick Krieger Assistent der künstlerischen Leitung und Geschäftsführung am FFT Düsseldorf.

Samira Weiner studierte Germanistik und Theaterwissenschaft an der Ruhr Universität Bochum. Von 2013 bis 2015 arbeitete sie als Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum, 2015 wechselte sie ebenfalls als Regieassistentin ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Von 2016 bis 2018 arbeitete sie als Assistentin der künstlerischen Leitung der Bürgerbühne am Düsseldorfer Schauspielhaus und als Produktionsleiterin für das Asphalt-Festival in Düsseldorf. Während ihrer Assistenzzeit leitete sie mehrere Jugendclubs. Seit 2019 ist sie im FFT Düsseldorf im Künstlerischen Betriebsbüro tätig und insbesondere für die Koordination von Kinder- und Jugendprojekten zuständig.

11.–14.06. Workshops


SPRACHE
Feine Unterschiede
Oleg Zhukov (Autor/Performer, subbotnik) und Özlem Özgül Dündar (Autorin)

Erzählend und schreibend suchen wir nach Momentaufnahmen und Wendepunkten in unseren Biografien. Besonders das Medium Sprache nehmen wir in diesem Prozess unter die Lupe. Sprache verrät oft, woher wir kommen. Setzen wir dieses oder jenes sprachliche Mittel bewusst oder unbewusst ein? Und zeigen oder negieren wir damit, woher wir kommen bzw. wer wir (geworden) sind? Ausgehend vom Erzählten entwickeln wir (dramatische) Texte zwischen Wahrheit und Fiktion.

Biografien

Özlem Özgül Dündar lebt in Leipzig und Solingen, studierte Literatur und Philosophie in Wuppertal und anschließend am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie schreibt Lyrik, Prosa, szenische Texte, Essays, performt mit ihren Kollektiven Kanak Attak Leipzig und Ministerium für Mitgefühl und ist als Herausgeberin sowie als Übersetzerin tätig. Sie erhielt zuletzt den Kelag-Preis in Klagenfurt und das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium 2018. Ihr Gedichtband „gedanken zerren“ erschien 2018 im Elif Verlag.

Oleg Zhukov lebt und arbeitet als Schauspieler, Regisseur und Autor in Nordrhein-Westfalen. 2012 gründete er gemeinsam mit Kornelius Heidebrecht und Martin Kloepfer das Künstlerkollektiv subbotnik. Subbotnik verbindet Vokal- und Instrumentalkompositionen, Erzählung und Live-Performance zu einer eigenen Bühnensprache. Mit seinem Text „LUSTDORF 1992“ wurde Oleg Zhukov mit dem Literaturpreis der Stadt Viersen ausgezeichnet. 2012 war er Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin. Für den Literaturwettbewerb „In Zukunft“ des Westfälischen Landestheaters schrieb Oleg Zhukov das Bühnenstück „Nordstadt“.

KURATION
ZINE-Making als solidarische Praxis
Felizitas Stilleke (Kuratorin/Dramaturgin) und Max Gadow (Theatermacher, virtuellestheater)

In einem kollektiven Akt des ZINE-Making befragen wir gemeinsam die Vorträge des jeweiligen Vormittags sowie auch das Programm der Impulse 2020. Was wollen wir bekräftigen, was überschreiben, wo weiterdenken? Was daran inspiriert zu klassenbewussten Taten und Positionen? In drei jeweils neu zusammengewürfelten Gruppen erstellen wir Tag für Tag gemeinsam ein ZINE. ZINE kennt keine Hierarchien, ZINE beruht auf Kollektivität. ZINE arbeitet mit Scheren, Farben, Stiften, Kleber, Kopierern, Stickern und Klebeband. Unsere Zeit wird geprägt sein von Hören, Sprechen, Machen. Keine Vorkenntnisse erforderlich, Vergnügungsaktivismus erwünscht!

Biografien

Max Gadow ist freischaffender Künstler und Theatermacher. Er ist Teil des Künstlerkonglomerats virtuellestheater, das 2015 von sechs Künstler*innen aus Hamburg und Berlin gegründet wurde. Er studiert Schauspielregie an der HfS Ernst Busch in Berlin sowie bei DAS theatre an der Kunsthochschule in Amsterdam. In seiner Arbeit fokussiert er auf die Untersuchung westlicher Mythen und Machtstrukturen und leitet daraus performative Vorgänge ab, die dann Teil der Arbeiten von virtuellestheater werden. Popkultur, neue Medien und Technologien werden darin regelmäßig mit kanonisiertem Kulturgut hybridisiert, und es entstehen meist offene, kaum wiederholbare Formate, die sich aller Mittel der Kunst bedienen.

Felizitas Stilleke ist freie Dramaturgin und Kuratorin. Sie leitet Konferenzen wie zuletzt den Branchentreff 2019, übernimmt Festivaldramaturgien (Berliner Theatertreffen 2018, Impulse Theater Festival 2017 unter Florian Malzacher, FAVORITEN 2014 mit Johanna-Yasirra Kluhs) und ist als Produktionsdramaturgin in NRW und Berlin unterwegs. Stilleke war 2018 und 2019 für die Nachwuchsplattform „Introducing …“ beim Performing Arts Festival Berlin verantwortlich und ist Kuratoriumsmitglied beim Fonds Darstellende Künste und bei der Kunststiftung NRW. Sie studierte Germanistik/Erziehungswissenschaften in Bochum, Kulturpoetik in Münster sowie 2018/19 bei DAS theatre in Amsterdam „Expanded Curation“.

THEORIE
Performance. Macht. Klasse.

Mehdi Moradpour (Autor/Dramaturg) und Robert Jende (Soziologe)

Im Workshop lesen wir Texte zu Performativität, Klassenbewusstsein und utopischem Realismus aus Philosophie, Soziologie und Theaterwissenschaft. Anhand von Beispielen aus Theater und Artivismus untersuchen wir die performative Kraft der Klassenverhältnisse, die Produktivkräfte des theatralen Handelns und ihre möglichen Effekte auf gesellschaftliche Transformationen.

Biografien

Robert Jende studierte Soziologie und Philosophie in Jena und ist seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts „RePair Democracy. Soziale Innovationen als Experimentierfeld demokratischer Mikropraktiken“ an der Hochschule München. 2018/19 lehrte und forschte er an der FSU Jena im Projekt „Gemeinsam Gesellschaft gestalten. Performative Soziologie als öffentliche Aktionsforschung“ in Kooperation mit dem Echtzeit-Architektur-Festival 72 Hour Urban Action und veröffentlichte mit den Studierenden eine kollaborative Monografie zu „öffentlicher Soziologie in Aktion“. 2019 schloss er seine Dissertation mit dem Titel „Gesellschaft verändern! Konturen einer performativen Soziologie“ an der FSU Jena ab.

Mehdi Moradpour begann im Iran ein Studium der Physik und der Industrietechnik und studierte von 2004 bis 2011 Hispanistik, Soziologie, Amerikanistik und Arabistik in Leipzig und Havanna sowie von 2014 bis 2016 Szenisches Schreiben in Graz. Seit 2012 arbeitet er als Gerichts- und Community-Dolmetscher und Übersetzer für Farsi, Dari und Spanisch. Seine Theaterarbeit führte ihn u. a. ans Maxim Gorki Theater Berlin, an die Deutscher Oper Berlin, zu den Wiener Festwochen sowie ans Grips Theater Berlin. Für seine Theatertexte wurde er u. a. mit dem Christian-Dietrich-Grabbe-Preis (mit Clemens Mädge), dem exil-DramatikerInnenpreis der WIENER WORTSTAETTEN sowie dem Jurypreis des Autorenwettbewerbs in St. Gallen und Konstanz ausgezeichnet.

ÄSTHETIK
Check your luggage! Klasse im partizipativen postmigrantischen Theater

Nora Haakh (Autorin/Dramaturgin) und İlker Abay (Schauspieler/Regisseur)

Welche Privilegien bzw. Bürden enthält der Rucksack, mit dem wir ins Leben starten? Welche Klassenunterschiede müssen wir auf unserem Weg überwinden? Welche Rolle spielt dabei die Mehr- oder Einsprachigkeit? Was sind Stolpersteine beim Versuch der gesellschaftlichen Teilhabe? Und über welche ästhetischen Formen stolpern wir im Theater? Die Teilnehmer*innen sind eingeladen, drei Gegenstände mitzubringen, die sie immer bei sich haben. In einer spielerischen Versuchsanordnung erkunden wir gemeinsam, welche dieser drei Objekte sie weiterhin behalten wollen.

Biografien

İlker Abay ist Filmemacher, Produzent, Schauspieler und Regisseur und nahm an internationalen Festivals u. a. in Cannes, Rotterdam, Mailand und Thessaloniki teil. Der Großteil seiner Filme konzentriert sich auf Themen der postmodernen Welt wie Identität, Fremdsein, Tod und Familie sowie das Individuum mit seinen Schwächen und tragikomischen Hemmungen. In „Süpermänner“, das am Ballhaus Naunynstraße Berlin von Idil Üner und Ensemble aufgeführt wurde, erzählt er auf der Bühne aus seiner persönlichen Lebensgeschichte.

Nora Haakh lebt als Islamwissenschaftlerin und Theatermacherin in Berlin. Ihr Schwerpunkt ist politisches Theater zwischen postmigrantischem Europa und dem arabischsprachigen Raum. Sie studierte Arabistik, Islamwissenschaft, Politik und Geschichte in Berlin, Paris, Istanbul und Kairo. Seit Abschluss ihres Studiums Arbeit als freie Dramaturgin, vorwiegend am postmigrantischen Theater Ballhaus Naunynstraße, Berlin. Zusammenarbeit mit Regisseur*innen wie Lukas Langhoff, Neco Çelik und Branwen Okpako und Autor*innen wie Marianna Salzmann und Deniz Utlu (Angry Birds). In Zusammenarbeit mit der Autorin und Regisseurin Nora Abdel-Maksoud entstanden bereits mehrere Arbeiten, von denen das gemeinsam entwickelte Stück „Kings“ zum Festival Radikal Jung 2015 eingeladen wurde.