11/9. Ab heute Trump-Zeitalter

14 November 2016

11/9/2016 Schlecht geschlafen. Schon seit Tagen Kopfschmerzen ungeklärter Herkunft. Früh aufgestanden. 11/9/2016. Vielleicht haben sie davon gehört: So ein Typ in Amerika ist in ein politisches Amt gewählt worden. Ah ok. Ab heute Trump-Zeitalter. Ahh. 11/9/2016 Sich körperlich unwohl fühlen wie nach einer Magenamputation. Sich fühlen, als ob jemand gestorben wäre. Als ob man einen Teller Scheiße gegessen hätte, den man auslöffelte, Löffel für Löffel. Jetzt liegt einem die Scheiße im Magen wie eine ungeborene und am ganzen Körper behaarte Ratte. Zuerst dachte man noch, nee, das ess ich nicht. Aber man MUSSTE diesen Teller essen, irgendjemand hat ihn vor dich hingestellt. Das muss sich jetzt erstmal durch dich hindurchverdauen. Durch den eigenen Körper jagen/durch all deine Zellen und Poren/durch das eigene Bewusstsein. Um es wieder loszuwerden. Aber man weiß, das wird man nicht mehr los, weil man ja TEIL DAVON ist. Und bei jedem Löffel, den man sich vom Teller schneidet und in den Mund schiebt, isst die Hoffnung mit, dass es vielleicht DOCH nicht so schlimm ist mit dem, was da auf dem Löffel liegt. Aber wenn man den Mund dann voll hat und die Geschmacksrezeptoren in der Zungenspitze es ERNST nehmen, verblasst der Gedanke der Nichtsoschlimmheit. Nimm’s doch nicht so ernst, denkt man. Aber der Rezeptor sagt, hey du hast gut reden, du steckst ja nicht MITTENDRIN und musst dich reinfühlen. Stimmt, denkt man, aber na ja, irgendwie doch.

11/9/2016 Angegriffen durch den Tag laufen. Heute ist kein Tag, an dem man MUSKELAUFBAUÜBUNGEN hinkriegen würde. Sich fühlen, als ob jemand gestorben wäre. Sterben wird man davon nicht, ok, aber man wird diesen Morgen nicht mehr vergessen. Denn es ist der Tag an dem das Zeitalter des reinen Pop begonnen hat. Das Zeitalter des reinen Kapitalismus. Der reinen Performance. Und Performance kennt keine Beißsshemmung und keine Moral. Moral hat eine Erinnerung. Das hier aber ist die reine Zukunft. Und die Zukunft kennt keine Regeln, sie kennt nur den Erfolg. Dass IRGENDETWAS stattfindet und eine Kontur sich bilden möge. Dass um Himmelswillen etwas ist. Performance kennt nichts außer Performance.

Das Schöne und Dankenswerte an der Figur Trump ist die Sichtbarmachung des aktuellen Standes der Welt und ihrer Wirkkonzepte. Wie funktioniert Demokratie? Wie funktioniert Wirtschaftssystem? Wie funktioniert Gesellschaft? Wie funktioniert Völkergemeinschaft? Wir betrachten einen von Laber und Assi-ness ummantelten Hohlraum, eine genialische Erfolgskonstruktion, eine selbsttragende Karosserie, aus der in Schüben Rassismus und Sexismus, Gewaltphantasie, Männertum (von Frauen akzeptiertes), Rücksichtslosigkeit und Begrenztheit hervorpuffen, und was es sonst noch an Ablehnenswertem gibt auf dieser Welt. Wir dürfen das Unerträgliche und Entsetzliche in aller Deutlichkeit betrachten. Und das ist gut so! Da weiß man, was man hat.

Es ist alles so konsequent falsch an Donald Trump, dass eine Wahrheit erkennbar wird. Trump ist kein Unfall eines Politsystems, sondern macht ein System kenntlich. Da stehen wir und betrachten, wie unbegreiflich schnell und überdeutlich die Dinge sich ändern. Nein, sie ändern sich nicht, man kann sie nur auf einmal glasklar erkennen. Wir sehen mit Donald Trump die Flagship-Figur des aktuellen Weltwirtschafts- und Weltgesellschaftssystems. Auf offener Straße und im Onanier-Modus. Ah ok. Guck mal! Das ist der Prototyp, den eine Mehrheit tatsächlich freiwillig will und herbeiträumt. Ok. Ok. Versteh. Versteh. Aber von jeder Siegertreppe tappt man ja auch mal wieder runter. Und wenn man es weiterdenkt, drängt sich der Verdacht auf, es kann nicht anders sein: Dieser Superkapitalist wird uns den Kapitalismus schon noch austreiben. So, wie der IS das Ende des Islams ist, wie die Inquisition das Ende des Christentums war, so wird Donald Trump das Ende des Kapitalismus sein.

PeterLicht ist Autor, Musiker und Dramatiker aus Köln. Seine Texte positionieren sich im aktuellen gesellschaftlichen Zeitgeschehen und kreisen um das ludische Prinzip aus Krise, Kapital und Kritik. 2015 erschien „Lob der Realität“ im Aufbau Verlag Berlin.

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